Der Widerstand, den wir oft spüren, wenn Veränderung in unser Leben tritt, kann mit der (unbewussten) Angst vor unsicheren Situationen begründet sein. Dies sind z. B. Verlustängste oder Existenzängste. Und tief hinter der unsicheren Situation ist meistens die Angst vor dem Tod zu finden. Die Endlichkeit des Lebens ist eine Urangst, der wir uns oft nicht stellen wollen bzw. können. Dabei spiegelt auch hier sich nur die Polarität wider. Ohne Leben gibt es keinen Tod und umgekehrt. Beide gehören untrennbar zusammen. Unser Alltag verleitet uns hingegen dazu, diesen Sachverhalt zu verdrängen. Wir sind in unserem emsigen Treiben derart eingebunden, dass uns das natürliche Verhältnis zum Tod vor allem in der westlichen Welt verloren gegangen ist. Wenn einer unserer Lieben von uns geht, tritt der Tod als Schattengespenst in unseren Blickwinkel ein. Viele von uns fühlen sich durch den Verlust, den er mitbringt, verlassen und allein gelassen. Doch auch dieses Gefühl haben wir am Ende selbst geschaffen durch unsere Erwartungshaltung. Wenn es uns gelingen kann, die Endlichkeit des Lebens in unser Bewusstsein zu integrieren und mit ihm genauso umzugehen wie mit dem Leben, dann verliert der Tod seinen Schrecken für uns und wir können uns einem ausgeglichenen Verhältnis dieser Polarität widmen [1]. Wenn wir hingegen an unserem Leben in einer Art festhalten, als ob es unendlich dauern würde, dann ist es nur all zu verständlich, dass das Lebensende als dunkler Schatten hereinbricht.

Hierzu eine kleine Geschichte:

“Ein Pfarrer befindet sich auf dem Heimweg. Und wie er seines Weges geht, hört er von weitem, wie jemand entsetzlich stöhnt und leidvoll nach Hilfe fleht. Als er dem Geräusch folgend am Straßengraben angekommen ist, sieht er den Teufel furchtbar zugerichtet liegen. Kaum zu einer Bewegung fähig, bittet er den Pfarrer um Hilfe. Dieser denkt kurz nach und antwortet ihm voller Freude, dass er alles unterlassen wird, was nur ein Stück in Richtung Hilfe gehen könnte. Er wird ihn im Graben liegen lassen und es kaum erwarten können, wenn es mit dem Teufel endlich zu Ende ginge. Schließlich käme es ihm sehr gelegen, wenn die Welt den Teufel nicht mehr fürchten müsse. Da nahm der Teufel seine letzten Kräfte zusammen und ermahnte den Pfarrer sich vorzustellen, vor wem er beim Gottesdienst seine treuen Kirchgänger warnen wolle, wenn es ihn nicht mehr gäbe. Da hob der Pfarrer den Teufel aus dem Graben, nahm ihn mit in seine Stube und pflegte ihn gesund.“

In dieser Geschichte können wir erkennen, dass wir gut beraten sind, uns mit der Polarität der Dinge zu befassen. Alles kann zwar in zwei scheinbar völlig entgegengesetzte Teile getrennt werden, doch enthält jeder Teil auch das Potenzial des anderen. Wie Yin und Yang besteht alles aus polar entgegengesetzten Prinzipien oder Kräften, die sich dennoch aufeinander beziehen und sich nicht bekämpfen, sondern ergänzen. Das Beispiel einer Batterie verdeutlich es sehr gut. Wir brauchen beide Pole – Plus und Minus – damit der Strom fließen kann. Mit nur einem Pol würde uns das nicht gelingen. Und so müssen wir akzeptieren, dass der Fluss des Lebens uns in unserer polaren Welt auf die Reise schickt, um Entwicklung und Wachstum zu erfahren. Eine Haltung gegen den Fluss des Lebens, die uns an Altem, dessen Zeitrahmen abgelaufen ist, festhalten lässt, verhindert letztendlich unser Glück, was wir uns alle doch sehnlichst wünschen.

„Es ist nicht leicht, die Geschichten loszulassen, die uns ausmachen, denn dann haben wir das Gefühl, ziellos umherzutreiben. Aber dieses Gefühl ist nur vorübergehend. Sobald unsere bisherigen Erfahrungen nicht mehr unser Leben bestimmen, stehen wir voll und ganz für die Verwirklichung unseres Potenzials und die Entfaltung unseres Weges zur Verfügung.“ [2]

Quellen:

[1] Dahlke, Das Schattenprinzip: Die Aussöhnung mit unserer verborgenen Seite, 2010, Arkana

[2] Villoldo, Der Pfad schamanischer Heilung, 2017

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