Wenn wir unser eigenes Verhalten z. B. anderen Menschen gegenüber im Alltagsleben ein wenig aufmerksamer beobachten, dann können wir erkennen, dass wir zum größten Teil wie Maschinen völlig automatisch auf bestimmte Reize respektive Situationen reagieren. Was die Wissenschaft schon seit Jahren als unbewusste Reaktionen beschreibt, wird für uns direkt beobachtbar. Nicht alles was wir auf diese Art produzieren macht uns glücklich oder ist anderen gegenüber liebevoll. Einige Dinge, die wir verantworten, tuen uns im Nachhinein sogar leid. Viele andere Reaktionen, die wir zeigen, verblüffen uns und machen uns große Freude. Wir können feststellen, dass einige automatische Programme in uns genau das “Richtige” getroffen haben. Doch wie wir wissen, hat jede Lichtseite auch ihre Schattenseite und umgekehrt. Die meisten erlernten Automatismen haben dafür gesorgt, dass wir Aspekte oder Eigenschaften von uns, mit denen wir geboren worden sind, in den Schatten – ins Unbewusste – verdrängt haben (Selbst = Ich + Schatten, siehe dazu diesen Blogbeitrag).
Prägung
Die meisten Kinder des Westens lernen sehr schnell, wenn sie sich anstrengen und die Erwartungen der anderen erfüllen, dann werden sie gelobt und belohnt. Wenn sie sich verweigern, weil sie z. B. keine Lust auf etwas haben, dann werden sie kritisiert. Dafür erhalten sie keine Belohnung, sondern die Rückmeldung, dass mit ihnen etwas nicht stimmt, dass sie so nicht in Ordnung sind. Deutlich weniger Zuwendung und Aufmerksamkeit können hier die Konsequenzen sein. Und meistens wird an dieser Stelle das Denken der Erwachsenen übernommen: Wer nichts leistet, der ist nicht viel wert. Folglich werten sich diese Kinder dann selbst ab, denn kein Kind zweifelt an der Korrektheit seiner Eltern. Mit denen muss alles in Ordnung sein, also muss es nach dem Gehfühl des Kindes an ihm selbst liegen. Minderwertigkeit und Angst werden dann zum ständigen Begleiter und leben in den Erwachsenen als die ersten Inneren Kinder weiter fort und einige werden noch folgen. Wir alle haben solche Inneren Kinder, denn wir sind in unserer Kindheit und Jugend durch unterschiedliche Maßnahmen erzogen und geprägt worden. Wir wachsen auf, werden älter, doch unsere Inneren Kinder sind nicht mit älter und erwachsen geworden. Sie leben in uns weiter und stellen uns mit ihren Ängsten und Sorgen vor so manche Herausforderung. Das, was wir als kleine Kinder gelernt haben, wie wir uns vor unliebsamen Verhaltensweisen und damit vor dem Liebesentzug der Erwachsenen geschützt haben, lebt weiter in uns fort. Wir bilden Glaubenssätze aus, die wie unanfechtbare Gesetze in uns wachen. Und jedes Mal, wenn wir uns wieder in eine Opferrolle begeben, wird der jeweilige Glaubenssatz bestärkt oder gar verstärkt. Die Stimme des Opfers in uns sagt z. B., dass es ja sowieso nicht klappen konnte, da wir ja nichts können und es zu nichts bringen. Oder wenn auch der nächste Partner uns verlassen hat, dann gibt es oftmals innere Argumente, dass die Beziehung ja sowieso schief gehen musste, da wir eben nicht liebenswert sind.
Das innere Gesetz
Die Erfahrungen, die wir als (Innere) Kinder gesammelt haben, sorgen für die Abspaltung der unbeliebten Eigenschaften und deren Verdrängung ins Unbewusste. Der Schatten entsteht und wächst. Die reine kindliche Essenz des Selbst ist in Ich und Schatten aufgespalten worden. Doch wie wir alle wissen, gibt es ein Energieerhaltungssatz. Dieser besagt, dass in einem geschlossenen System die Summe aller Energien stets konstant ist. Und unser ganzes Sein ist nichts weiter als reine Energie. Inzwischen ist dies durch die neuesten Forschungen der Quantenphysik bestätigt. Und wenn wir nun nur ein Teil der Energien (unsere positiv gewerteten Eigenschaften) von uns sein wollen, da diese uns beliebt machen, was passiert dann mit den anderen Energien, die wir nicht sein wollen (die negativ gewerteten Eigenschaften)? Diese bleiben getreu dem Energieerhaltungssatz nach wie vor in uns erhalten – im Schatten. Wir denken, diese Eigenschaften beistzen wir nicht, weil wir sie ins Unbewusste verdängt haben. Von hier aus kommunizieren sie mit uns udn der Umwelt. Jedes Mal, wenn wir eine Situation erleben, in der wir z. B. bei einem anderen Menschen eine Eigenschaft verurteilen, dann gehen wir in Resonanz mit diesem Thema (siehe dazu diesen Blogbeitrag). Wenn wir jemanden für aufdringlich halten, dann meldet sich in uns unsere eigene Aufdringlichkeit und sagt: “Ich bin auch in dir. Du hast mich nur im Schatten und willst mich nicht annehmen.” Wie sollen wir das auch können? Wir haben ja schließlich gelernt, dass wir nicht aufdringlich sein sollen und haben das z. B. als Glaubenssatz “Sei nicht aufdringlich anderen gegenüber” fest verankert, der diesen Teil unseres gewünschten (beliebten) Charakters bildet. So haben wir ein ganzes inneres Gesetzesbuch, nach dem unsere Automatismen andere Menschen verurteilen, wenn sie nicht den gleichen Überzeugungen (Glaubenssätzen = inneren Gesetzen) folgen wie wir.
Das Resonanzgesetz sorgt dafür, dass wir mit allen Aspekten aus unserem Inneren in unserer Außenwelt in Beziehung treten. Denn es gilt: Wie Innen, so Außen (siehe hierzu diesen Blogbeitrag). Es gibt in der Natur immer das Bestreben nach Gleichgewicht. Aus der Chemie beispielsweise kennt jeder von uns den Konzentrationsausgleich. Wenn wir Salz in ein Wasserglas streuen, dann wird dieses nach geraumer Zeit gleichmäßig im Wasser verteilt sein. So verhalten sich auch die Energien in uns. Sie streben nach Gleichgewicht. Und zwar soll die natürliche Balance wieder hergestellt werden, die einst in uns war. Als wir noch kindlich und rein waren – mit all unseren ungewerteten Eigenschaften. Wenn wir dies zulassen, dann erfolgt Heilung (Heilwerden = nach Ganzheit streben). Wenn wir dies unterbinden und weiter unseren Glaubenssätzen folgen, dann kann dies für sehr ungemütliche Situationen in unserem Leben sorgen. Denn schließlich legen wir uns hier mit Naturkräften an, die natürlichen Gesetzen folgen. Wir Menschen besitzen nicht die Macht, diese zu bändigen oder gar auszuschalten. Unsere Denke spielt uns vor, dass das, was wir nicht bewusst wahrnehmen, keinen Einfluss auf uns hat oder sogar nicht exisitert.
Der eigene Beobachter werden
Wenn wir uns bewusst gemacht haben oder uns bewusst geworden sind, dass wir in unserer Rolle, die wir oftmals spielen, eigentlich gar nicht unser natürliches Sein repräsentieren, sondern eben nur eine Person (oder Persona), die beliebt bzw. geliebt sein will, dann können wir den nächsten Schritt gehen und erkennen, wer oder was wir wirklich sind. Wir sind Schöpfer unserer eigenen Umstände unseres Lebens. Bewusst und größtenteils unbewusst verursachen wir durch unsere Gedanken und Gefühle das Energiegefälle von Innen nach Außen, was den Ausgleich sucht. Und damit ziehen wir alles, was uns im Leben passiert, entsprechend unserer Innenwelt wie ein Magnet an.
Der erste Schritt zu wahrhaftigen Erkenntnissen über uns selbst gelingt uns durch die Einnahme der Beobachterrolle. Sobald z. B. eine Konfliktsituation eintritt, “zoomen” wir aus unserer eigenen Position in diesem Gefüge heraus und beobachten das ganze Geschehen. Wir schauen wie ein Dritter zu und nehmen wahr, um welche Gefühle es hier in dieser Szene genau geht.
Folgende Fragen sind hier zu stellen:
- Wie fühle ich mich gerade? (z. B. verärgert)
- Was ist das dahinter liegende Gefühl (oder die Emotion)? (z. B. Wut)
- Was ist der vermeintliche Grund für diese Wut in dieser Szene? (z. B. Ich werde ignoriert)
- Welche Eigenschaft des anderen reizt mich gerade? (z. B. Ignoranz)
- Wie könnte ein Glaubenssatz in mir lauten, der dazu passt? (z. B. Andere ignoriert man nicht)
Mit den Antworten auf diese Fragen kommen wir dann schon einen großen Schritt weiter.
Die Projektion erkennen
Durch unsere Erfahrungen als Kind haben wir unsere Glaubenssätz (innere Gesetzmäßigkeiten) ausgebildet. Viele davon haben wir ganz einfach z. B. von unseren Eltern übernommen. Da wir als Kind unsere Eltern nie kritisieren würden, müssen diese Gesetzmäßigkeiten ganz einfach stimmen. Das haben wir zumindest so angenommen. Da auch unsere Eltern als kleine Kinder erzogen und geprägt worden sind, haben auch sie viele ihrer Glaubenssätze von ihren Eltern. Dadurch sind viele Regeln, die wir in unserem Kopf haben, sehr alt. Niemand konnte sie je bewusst hinterfragen. Bis eine Generation in der Familie diesen Sachverhalt erkennt.
In unserer westlichen Gesellschaft wird stets versucht, uns beizubringen, dass wir Menschen alle gleich sind. Denn schließlich soll sich jeder den gleichen Gesetzmäßigkeiten (Regeln) der Gesellschaft unterwerfen. Daher kommt auch der Gedanke “Gleiches Recht für alle”. Doch wir Menschen sind eben nicht alle gleich. Wir sind in unserem Kern alle verschieden. Und jeder von uns ist in Ordnung, so wie er ist. Damit wird uns sehr schnell deutlich, dass es hier auch keine Wichtigkeit von Menschen gibt. Keiner ist wichtiger als der andere. Keiner ist richtiger als der andere. Jeder ist eben einfach so, wie er ist. Das heißt nicht, dass wir alles hinnehmen müssen in unserem leben. Wenn wir zum Beispiel schlecht behandelt werden, dann steht es uns frei, ob wir dies aushalten wollen oder nicht. Wenn wir z. B. unseren Chef auf Arbeit nicht leidern können, weil er uns unserer Meinung nach mobbt oder nicht gut bezahlt, dann können wir all unsere Wut auf ihn projizieren und schipfen. Oder wir können frei entscheiden und sagen: “Ich sehe, dass du eine andere Auffassung davon hast, was eine gute Behandlung von Mitarbeitern betrifft. Doch ich möchte so nicht behandelt werden. Wenn wir zusammenarbeiten wollen, dann muss dies auf einer anderen Basis geschehen”. Damit verurteilen wir nicht, sondern stellen lediglich unsere eigene Auffassung von einem bstimmten Sachverhalt klar.
In einem ersten Schritt können wir damit erstmal in der Außenwelt auf eine unserer Meinung nach ungerechte Behandlung reagieren. Doch nun sollten wir genauer hinschauen. Was stört uns in diesem genannten Beispiel genau an unserem Chef? Schließlich sind wir selbst Schöpfer dieser Situation. Wir haben sie angezogen (Resonanzgesetz). In unserer Innenwelt gibt es etwas, was mit dieser Situation in Resonanz geht. Es betrifft schließlich immer uns selbst, da es ja aus unserem Inneren kommt. In unserem unbewussten Schatten gibt es Energieanteile, die auf sich aufmerksam machen wollen. Verurteilen wir uns vielleicht selbst im Inneren? Gibt es Glaubenssätze, die uns sagen, dass wir etwas nicht schaffen? Dass wir es nicht wert sind, gut behandelt zu werden? Verurteilen wir andere Menschen schnell für ihr Aussehen, für ihre Andersartigkeit? Einen Grund wird es geben.
Da wir nicht bewusst mit unserem Verstand in unser Unterbewusstsein “schauen” können, gibt es verschiedene andere Möglichkeiten, die “Firewall”, die unsichtbare Schutzschicht zu überwinden, um an den ursprünglichen Grund – die Urverletzung – zu gelangen. Dies können u. a. die folgenden Methoden sein:
- Meditation zu Innerem Kind / Glaubenssätzen
- Lesen im morphischen Feld
- Systemische Aufstellungen (z. B. Familienstellen)
- Holistic Bodywork
Im Ergebnis der Arbeiten zu Inneren Kindern und / oder Glaubenssätzen zeigen sich oft Situationen mit z. B. unseren Eltern als wahre Ursache für unsere Situationen im Leben. Wir sind also im Inneren nicht ärgerlich auf unseren Chef, sondern dieser steht lediglich gerade zwischen uns als Projektor und der Leinwand, auf welcher wir unsere Gefühlwelt darstellen wollen. Rücken wir unseren Chef bei Seite z. B. in einer Meditation, dann können sich die Bilder zeigen, wo wir vielleicht von unserem Vater ungerecht behandelt worden sind. Unser Chef hat lediglich ein Knöpfhen bei uns gedrückt. Es zeigen sich oft Alltagssituation aus der Kindheit, in den die Erwachsenen (meist unsere Eltern) vielleicht völlig unbewusst und beiläufig eine Reaktion uns gegenüber zeigen, die ihrerseits völlig belanglos erschied, für uns uns unsere Gefühlswelt als kleines Kind von entscheidender Bedeutung war. Und so sind es oft unsere Inneren Kinder, die sich in den jeweiligen Situation zeigen, reagieren und die Kontrolle über uns übernehmen. Wir sind in dieser Situation nicht der Erwachsene, sondern das kleine Kind von damals.
Die Chance zur Heilung nutzen
Letztendlich ziehen wir die Situationen an, in denen unser größtes Heilungspotezial liegt. Es sind die Aspekte, bei denen das Energieungleichgewicht am stärksten für unser Gesamtenergiesystem zu spüren ist. Es bleibt nicht aus, dass wir verurteilen oder projizieren, denn schließlich sind wir Menschen und das Verurteilen und Projiziern ist in uns allen als Eigenschaft angelegt. Wer von sich behauptet, dass er dies niemals tut oder gar als Eigenschaft nicht besitzt, hat dies in seinem Schatten und darf liebevoll an den Situationen in seinem Leben lernen, wo er diese Themen anzieht.
Der Kunstgriff ist, die Konfrontation mit den “unbeliebten” Situationen als Chance zu verstehen. Wenn wir den Sinn dahinter wahr und wichtig nehmen, gelangen wir auf den Weg zu wahrer Heilung. Akzeptieren zu können, dass alle Eigenschaften auch in uns sind (auch die unbeliebten), erhalten wir die Möglichkeit, unsere dahinter liegenden und meist verdrängten Gefühle zu fühlen. Die Angst, die Hilflosigkeit, die Wut, die Scham, die Ohnmacht usw. zu fühlen. Sonst haben wir sie weggeschoben und verdrängt. Nun können wir endlich ins Fühlen kommen. Denn diese Gefühle und Emotionen sind die Energien, die den Ausgleich suchen – die die Balance wieder herstellen wollen. Wenn wir unseren Inneren Kindern begegnen und unsere Glaubenssätze kennenlernen, dann können wir unsere Geschichte umschreiben und in Zukunft auf schwere schicksalshafte Erlebnisse verzichten, da wir die Zeichen unseres Lebens lesen und verstehen können.
Die o. g. Methoden bieten Möglichkeiten der Heilung der Inneren Kinder und Glaubenssätze. Durch sie können wir unsere unbewussten Programme umschreiben. Im Ergebnis führt das dazu, dass wir unsere Schattenanteile integrieren und die bislang verdrängten Energien für unser bewusstes Leben konstruktiv nutzen können. Wir gelangen zu unserem vollen Potenzial zurück, was uns bisher noch nie als Erwachsener zur Verfügung stand.
“Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit gehabt zu haben.”