Ungefähr ab dem siebten Lebensjahr nehmen wir so gut wie nichts mehr auf, was für unser Gehirn maßgeblich ist, um die Regeln des Lebens festzuschreiben. Ausgenommen hiervon sind traumatische Erfahrungen, die nicht hiermit gemeint sind. Wir löschen bis ca. zum sechzehnten Lebensjahr über achtzig Prozent unserer wunderbaren bereits abgespreicherten Eindrücke, so dass mit Abschluss der Pubertät ein rigoroses Ausdünnen der Synapsen in unserem Gehirn zu einem konkreten eigenen Weltbild geführt hat. Dies ist ein natürlicher Vorgang, der bei jedem Menschen stattfindet. Die Evolution hat uns gelehrt, dass wir nach dem Ende der Jugend bereits eine genaue Vorstellung davon haben, was in unserer Umwelt geschieht, wo wir Nahrung herbekommen, wem wir trauen können und wem nicht, wer uns Liebe gibt und bei wem wir Schmerz erfahren. Die wichtigsten dieser Information bleiben erhalten und werden zu unserer Prägung. Alles andere wird verworfen und gelöscht, da es nicht erforderlich ist, die Informationen zu speichern [1].
Zu Beginn des Erwachsenenalters sind wir in einer Art und Weise mit diesen Prägungen vertraut, dass wir denken, dass die Dinge schon immer so waren und wir sind überzeugt, dass das auch größtenteils immer so bleiben wird. Wir sind uns bewusst, dass die Welt sich um uns herum wandelt und Änderungen stattfinden. Doch in uns denkt es, dass die Überzeugungen, zu denen wir gelangt sind, gültig bleiben werden. Unsere Sicht auf die Welt und das Leben ist durch tiefe neuronale Spuren in unserem Gehirn fast wie eingebrannt. Unsere Gefühle und die damit in Zusammenhang stehenden Situationen sind entstanden. Diese können geändert werden. Es kostet uns jedoch sehr viel Arbeit und damit Energie. Jeder von uns, der sich schon mit der Arbeit mit seinen Inneren Kindern beschäftig hat, weiß genau, wovon ich rede. Aber diese Arbeit lohnt sich sehr. Wir können große Schritte in unserer Persönlichkeitsentwicklung erreichen.
Es gibt viele Ansichten zum Entstehen von Gefühlen und Emotionen und wo in unserem Körper diese gespeichert und verarbeitet werden. Die folgende wird besonders von Biologen verwendet, wenn es darum geht, den Beitrag unseres Gehirns zu erklären. Ein Teil der Emotionen sei instinktiv (Entstehung in der Amygdala bei Verarbeitung von Erinnerungen und emotionalen Reaktionen) und ein anderer Teil kognitiv (Erzeugung im präfrontalen Kortex).
Kognitive Emotionen entstehen aus uns Menschen selbst heraus in bewussten Augenblicken. Selbst Menschen, die sich sehr in Achtsamkeit und positivem Denken üben, sind nicht davor geschützt, ab und zu spontan Gefühle wie z. B. Wut oder Trauer zu empfinden. Auf lange Sicht sind diese nicht sehr belastend, da sie sinnvoller Weise nur kurz anhalten und schon nach wenigen Momenten wieder abklingen. Erinnerungen werden mit flüchtigen Empfindungen verknüpft und wir können sie rückblickend wieder fühlen.
Instinktive Emotionen verhalten sich anders und können uns vergiften. Sie liegen vor, wenn wir uns lange nicht abregen können. Wir werden immer wieder überwältigt von ihrer Kraft und können die wahre Ursache dahinter nicht bewusst erkennen. Wir sind z. B. schlecht gelaunt und grantig und wissen nicht warum. Wir sagen dann, es ist einfach nicht unser Tag. Bei Konflikten, die sich daraus ergeben, beharren wir oft auf unsere Unschuld und unser Recht. Noch nach Jahren behaupten wir dies und kommen oft nicht aus dieser Schleife heraus. Unser gesamter Körper steht unter Stress und dieser belastet unsere Gesundheit enorm. Dahinter liegt ursächlich unser uralter Selbsterhaltungstrieb, der an traumatische Erlebnisse gekoppelt wurde, die uns aber nicht mehr bewusst sind. Wir fühlen Angst, Wut, Scham und Neid und doch haben sie rein gar nichts mit dem Augenblick zu tun, in welchem sie auftreten. Das bestimmende Trauma (meist aus der Kindheit) überlagert die aktuelle Situation und nimmt sie in Besitz. Das authentische Erleben im Hier und Jetzt ist in solchen Situationen nicht mehr möglich. Unsere Projektionen des Schmerzes unserer traumatischen Urverletzung auf unser Gegenüber oder auf bestimmte Sachverhalte wirken wie ein automatisches Computerprogramm, welches die Kontrolle über den Hauptrechner übernimmt, und verhindert damit ein ungetrübtes Urteilsvermögen [1].
Wenn wir lernen, diese Arten von Emotionen zu unterscheiden, dann können wir uns und unseren Mitmenschen viel Leid ersparen. Das wichtigste Merkmal dazu ist die Dauer, die wir diese Emotionen wahrnehmen. Wenn wir z. B. noch nach vielen Jahren nicht verzeihen können und wütend sind, dann sind toxische instinktive Emotionen der Grund. Viele Partnerschaften, Freundschaften und Geschäftsbeziehungen werden beendet aufgrund dieses Sachverhaltes, da wir nicht erkennen, dass es Projektionen durch instinktive Emotionen sind, denen wir ausgesetzt sind. Hier hilft nur ein Umprogrammieren, welches wir durch verschiedenste Techniken erreichen können. Wir können uns Heilen und wieder in Liebe gehen und Selbstbestimmung erleben.
Quellen: [1] Alberto Villoldo, David Perlmutter, Das erleuchtete Gehirn, Goldmann, 2011