Wenn wir den Prozess vom Eintreten der Notwendigkeit einer Veränderung bis zur völligen Akzeptanz der neuen Situation betrachten, so geht dieser mit einer hohen Schwankungsbreite des emotionalen Energielevels einher. In der folgenden Darstellung wird dies veranschaulicht [1].

Ist dies erst einmal durchlaufen, dann fühlen wir uns wieder sicher, geliebt, angenommen, wohl usw. Nun wären wir gut beraten, den gesamten Vorgang als Erfahrung anzuerkennen, und dass es uns guttut, Veränderung zuzulassen. Denn schließlich führt uns eine wahrhaftig angenommene Veränderung in einen besseren Zustand, als wie ihn vorher vorfanden. Voraussetzung dafür ist, dass wir mit unseren Gedanken nicht in der Vergangenheit verhaftet bleiben und uns ständig den alten Zustand zurückwünschen. Dies dient nicht unserem Wohl, sondern lässt uns erstarren. Gemäß den Naturgesetzen ist es dann nur eine Frage der Zeit, bis uns die nächste Krise erreicht, da unser Denken und Fühlen nicht in den aktuellen Zeitrahmen passen. So erleben viele Menschen ihr Leben als eine unangenehme Anhäufung von schmerzhaften und/oder unglücklichen Ereignissen. Man könnte denken, sie werden zu ihrer Lebensart gezwungen. Die Lebensumstände, die Menschen in Krisengebieten (Hungersnöte, Kriege etc.) ertragen müssen, seien hier ausgenommen. Auch diese sind vom Menschen gemacht, doch die Zusammenhänge betreffen das kollektive Schaffen dieser Umstände. Auf die wird in einem separaten Blogbeitrag noch eingegangen werden.

Wie stark, die psychische Kraft ist, persönliche Krisenerfahrungen zu erkennen und diese schwierigen Lebenserfahrungen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen, wird durch die sogenannte Resilienz ausgedrückt. „Es ist die Lebenserfahrung und es sind die bewältigten Alltagsherausforderungen und Krisenerfahrungen, die mit dem zunehmenden Alter zur Resilienzwirkung beitragen.“ schreiben die Wissenschaftler Anneliese Schauer-Pischlöger und Peter Hofer vom Institut für Gesundheit und Entwicklung für Menschen und Organisationen (IGEMO) aus Linz [2]. Nach ihren Erkenntnissen wirkt sich zunehmendes Alter positiv auf die Resilienzentwicklung aus. Es sind die bewussten oder unbewussten Reflexions- und Verarbeitungsprozesse, die uns besonnener, ruhiger und gelassener (= resilienter) im Umgang mit herausfordernden Situationen werden lassen, je älter wir werden. Insbesondere die Fähigkeit zur Reflexion spielt eine entscheidende Rolle. Reflexion und reflektieren sind in der Psychologie aus gutem Grund viel verwendete Begriffe.

Stefanie Stahl schreibt dazu: „Der reflektierte Mensch hat einen guten Zugang zu seinen inneren Motiven, Gefühlen und Gedanken und kann diese in einen psycho-logischen Zusammenhang zu seinen Taten bringen. Weil er hierbei auch seine Schattenseiten im Auge behält, kann er mit diesen bewusster umgehen.“ [3] „So kann er beispielsweise rechtzeitig bemerken, dass der Mangel an Sympathie, den er für eine andere Person empfindet, weniger dem Umstand geschuldet ist, dass diese tatsächlich nicht nett wäre, sondern vielmehr dem Umstand, dass er auf deren Erfolg etwas neidisch ist. Indem er sich dies eingesteht, wird er wahrscheinlich zu dem Ergebnis kommen, dass es nicht ganz fair wäre, der anderen Person zu schaden.“. Wir brauchen also Zugang zu unseren Gefühlen, um positiv auf sie einwirken zu können. Wenn das nicht gelingt, dann können wir uns nichts eingestehen und unser angekratztes Ego beginnt, andere anzugreifen oder mindestens abzuwerten. Die von uns wahrgenommenen Widerstände gegen Veränderungsprozesse nehmen also ab, je höher unsere Bereitschaft und Fähigkeit ist, Resilienz und Reflexion in unser Leben zu integrieren und weiter auszubauen.

Der erste Durchbruch

Sobald wir im Veränderungsprozess in der Phase der emotionalen Akzeptanz (vgl. Grafik 4.) angekommen sind, verzeichnen wir unseren ersten Durchbruch. Es kommt wieder Licht ins Dunkle, wir fühlen uns besser und eine neue bessere Welt eröffnet uns ihre Möglichkeiten. Nun gilt es, den Veränderungsprozess weiter zu durchlaufen und der Verlegenheit zu widerstehen, uns wieder in unser altes Schema zu flüchten. Dies können wir oft beobachten, wenn wir in Beziehungen feststecken, bei denen das Haltbarkeitsdatum längst abgelaufen ist. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass hier auch ein Wechsel der Beteiligten notwendig ist, sondern es Zeit für eine Überarbeitung der Art dieser Beziehung ansteht. Insbesondere bei unseren Partnerschaften erhalten wir die größten Möglichkeiten für unser persönlichen Wachstum, da hier der vorgehaltene Spiegel besonders schmerzhaft sein kann. So können wir mit der Auseinandersetzung mit uns selbst viel über uns und unser Sein lernen. Wenn wir in Betracht ziehen, unsere grundsätzlichen Modelle unserer Weltanschauung in Frage zu stellen, so können wir abkommen vom unglücklichen und ohnmächtigen Opferdasein. Wir können fehlende Dinge in unser Leben integrieren lernen, anstatt Orte und Beziehungen zu verlassen, um letztendlich zu flüchten. Im Grunde dürfen wir erkennen, dass Fehler mit Fehlen in Zusammenhang steht. Es passieren Fehler, da uns bislang Erkenntnisse fehlten. Es kommen uns Dinge fehlerhaft vor, wenn anscheinend wichtige Punkte fehlen. So verhält es sich auch mit unserem Bewusstsein. Die Auseinandersetzung mit uns selbst ist eine unserer größten Herausforderungen im Leben und bietet uns gleichzeitig die Gelegenheit für das Erkennen von uns selbst.

Werde, wer du bist.

[1] Angelehnt an Elisabeth Kübler-Ross; Grafik von myconsult GmbH; 2023

[2] Hofer, Peter; Aschauer-Pischlöger, Anneliese; Resilienz wirkt: Erkenntnisse aus einer Längsschnittstudie und Strategien zur Stärkung der persönlichen und organisationalen Resilienz; IGEMO KG; 2021

[3] Stahl, Stefanie; Das Kind in dir muss Heimat finden; Kailash; 2015

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert